Ausbau der B27 im Steinlachtal

Geplanter Ausbau der Bundesstraße zw. Bodelshausen und Nehren

20. Februar 2025

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22. Mai 2025

Gemeinsame Pressemitteilung von BUND und NABU Baden-Württemberg sowie dem „Bündnis nachhaltige Mobilität – STEINLACHTAL e.V.“

B27-Ausbau: „Endelbergtrasse“ verstößt gegen Umweltrecht

NABU und BUND reichen ausführliche Klagebegründung ein

Stuttgart – Die fachliche und juristische Prüfung der sogenannten „Endelbergtrasse“ fällt für die Verbände NABU und BUND eindeutig aus: Der geplante Aus- und Neubau der B27 im Steinlachtal zwischen Bodelshausen und Nehren (Kreis Tübingen) verstößt für sie gegen nationales und europäisches Umwelt-, Natur- und Klimaschutzrecht. Auf 230 Seiten sowie in einem 200-seitigen Fachgutachten haben die Rechtsanwälte von PNT Partner (Frankfurt/Hamburg) zusammen mit den Fachgutachtern und Dipl.-Biologen Engelsing & Schmoll (Leipzig) für die Naturschutzverbände die Begründung ihrer Klage gegen den Planfeststellungsbeschluss ausgearbeitet und am 9. Mai fristgerecht dem Verwaltungsgerichtshof in Mannheim vorgelegt.

 

Im Zuge der Ausarbeitung der Klagebegründung hatten sich die Anwälte und Gutachter*innen vor Ort mit haupt- und ehrenamtlichen Umweltschützer*innen von BUND und NABU ein eigenes Bild der betroffenen Flächen entlang der geplanten Trasse gemacht.

 

Stärkere negative Effekte auf geschützte Lebensräume

Im Zentrum ihrer Kritik steht, dass bei der Trassenplanung eine Vielzahl an besonders geschützten Lebensräumen, Biotopen und Tierarten durch die „Endelbergtrasse“ deutlich gravierender betroffen werden als die Planer des Regierungspräsidiums Tübingen dies annehmen. Die juristische und naturschutzfachliche Prüfung hat ergeben, dass insbesondere EU-Vorgaben zum Schutz von Flachland-Mähwiesen, Hochstaudenfluren und Auenwäldern sowie von Fledermäusen, Vögeln und Amphibien verletzt werden. Das von der Planung betroffene FFH-Schutzgebiet „Albvorland bei Mössingen und Reutlingen“ wurde demnach fachlich falsch abgegrenzt: Wesentliche, zum Teil sogar die wertvollsten, Biotopflächen, die durch den Bau beeinträchtigt werden, wurden rechtswidrig aus der Schutzgebietskulisse herausgehalten. Die Belange von besonders und streng geschützten Arten wurden seitens der Planungsbehörde unzureichend ermittelt und fehlerhaft bewertet. Dies gilt sowohl innerhalb als auch außerhalb der beiden von der Trassenplanung betroffen Natura 2000-Gebiete.

 

Bei der Bewertung der Auswirkungen auf besonders geschützte Arten und Gebiete – wie sie im nationalen und europäischen Umweltrecht festgelegt sind – wurden grundlegende Fehler gemacht. Diese wirken sich unmittelbar auf die Ausnahmeprüfungen und -entscheidungen des Regierungspräsidiums aus, da die Betroffenheiten wertvoller Natur- und Umweltbestandteile durch die Planungsbehörde bei Weitem unterschätzt wurden. Somit ist die Planung der Ausgleichs- und Kohärenzerhaltungsmaßnahmen deutlich defizitär. Da die „Endelbergtrasse“ weitaus schwerwiegender in wertvolle Bestandteile von Natur und Umwelt eingreift, hätte diese bei der Alternativenprüfung ausgeschlossen werden müssen.

 

Falsche Gewichtung der Tunnelvarianten

Vor diesem Hintergrund hätten die Vorteile der Tunnelvarianten in der Gesamtbetrachtung und -abwägung ein noch stärkeres Gewicht bekommen müssen. Hinzu kommt, dass die für die Tunnel geltend gemachten Mehrkosten und der Kostenvergleich mit Blick auf andere Varianten in mehrfacher Hinsicht äußerst frag- und kritikwürdig sind.

 

Rechtswidrige Prüfung von Klimaschutzbelangen

Die Verbände kritisieren außerdem die unzureichende Berücksichtigung der Klimaschutzbelange und des Klimaschutzrechts, insbesondere die Klimabilanz und die Klimaschutzziele. So ist die Berechnung der CO₂-Emissionen des Projekts unvollständig. Wichtige Emissionen aus Produktion und Bereitstellung von Energie („Well-to-Tank“-Emissionen) fehlen vollständig. Die Auswirkungen des Projekts auf gesetzliche Klimaschutzziele für 2030 und darüber hinaus wurden nicht ausreichend geprüft. Auch klimafreundlichere Alternativen, unter anderem Tunnelbauten, wurden teilweise nur in umständlichen Ausführungsvarianten geprüft und dann ausgeschlossen. Die Berechnungsgrundlagen für die Klimawirkung des Projekts stammen aus veralteten Leitlinien des Verkehrsministeriums. Neue wissenschaftliche Standards, wie sie die Forschungsgesellschaft für Straßen- und Verkehrswesen (FGSV) entwickelt hat, fanden keine Anwendung oder wurden nur oberflächlich erwähnt. Dass die Klimaschutzbelange in der Planung unzureichend berücksichtigt wurden, ist rechtswidrig.

 

Flächenversiegelung nicht ausgeglichen

Auch der Naturverlust wird durch die Planungsbehörde unterschätzt: Wälder und Böden, die bislang CO₂ speichern, sollen dauerhaft versiegelt werden, ohne ausreichenden Ausgleich. Dies führt zu zusätzlichen Emissionen und untergräbt den Schutz unserer natürlichen Lebensgrundlagen. Das Projekt stützt sich auf einen alten Bedarfsplan, der laut Gesetz längst hätte überprüft und an den Klimaschutz angepasst werden müssen. Diese Pflicht wurde versäumt.

 

Die Engelbergtrasse kann als ungünstigste Variante eines ohnehin mindestens zu Teilen rechtwidrigen Verfahrens betrachtet werden. Der Planfeststellungsbeschluss erweist sich damit aus Sicht der Verbände aus mehreren, selbständig tragenden Gründen als rechtswidrig.


14. Februar 2025

Pressemitteilung des NABU Baden-Württemberg

14.2.2025

 

 

Aus- und Neubau der B27:

NABU-Landesverband leitet rechtliche Schritte ein

 

Stuttgart – In seiner Sitzung vom 14. Februar hat der Landesvorstand des NABU Baden-Württemberg beschlossen, rechtliche Schritte gegen das Straßenbauverfahren um die B27 im Steinlachtal (Kreis Tübingen) einzuleiten. Im Einsatz für die Natur schließen sich NABU und BUND gegen den vierspurigen Straßenneubau zusammen. Unterstützt werden die Verbände durch das bündnis nachhaltige mobilität STEINLACHTAL e.V.

 

Keine zukunftsfähige Alternative

Im Dezember 2024 hatte sich das Regierungspräsidium (RP) Tübingen auf die nun planfestgestellte Trassenvariante festgelegt. Mit dem Planfeststellungsbeschluss hält die Behörde trotz deutlicher Kritik an der von ihr bevorzugten Variante eines vierspurigen Straßenneubaus fest. Von allen geprüften Ausbauvarianten wurde damit die mit Abstand naturschädlichste gewählt: „Mit 14 Brückenbauwerken, etlichen Zubringerschleifen und Betonpfeilern soll sich die ‚Vorzugsvariante 1g‘ durch das grüne Band im Tannbachtal und Steinlachtal zwischen Bodelshausen und Nehren ziehen. Den Ausbau sieht der Verkehrswegeplan seit fast einem halben Jahrhundert vor. Die Wahl der Trasse jedoch, ist mehr als unzeitgemäß. Dass es heute schlechter, denn je um die Artenvielfalt steht, berücksichtigt die Planfeststellungsbehörde in ihrer Variantenprüfung kaum“, sagt Tamara Ayoub, Leiterin der NABU-Bezirksgeschäftsstelle Neckar-Alb.

 

Zu hohe Kosten für die Natur

Betroffen sind unter anderem wertvolle Feuchtbiotope, Streuobstwiesen, europarechtlich geschützte FFH- und Vogelschutzgebiete (Natura 2000) sowie landwirtschaftliche Flächen. Besonders kritisch sieht der NABU die Lebensraumzerstörung und artenschutzrechtliche Verbotstatbestände gegen verschiedene gefährdete und geschützte Arten, wie Wanstschrecke, Feldlerche, Haselmaus, Zauneidechse und Fledermäuse.

 

Großes Engagement aus Bürgerschaft und Ehrenamt

Dank des jahrzehntelangen Einsatzes der Naturschützerinnen und -schützer vor Ort und der verbandsübergreifenden Zusammenarbeit konnten in früheren Verfahrensschritten bereits Mängel in den Planunterlagen aufgezeigt werden, die zur Überarbeitung der Pläne führten. Zahlreiche Stellungnahmen und Stimmen von NABU, BUND, LNV, bündnis nachhaltige mobilität STEINLACHTAL e.V., lokalen Gruppierungen, aus der Landwirtschaft sowie vieler Bürgerinnen und Bürger konnten das RP nicht von dessen bevorzugter Straßenbauführung abbringen.

 


7. Februar 2025

Reicht der NABU Klage gegen das Verfahren ein?

 

Da wir in dieser Sache in enger Abstimmung mit dem BUND agieren, zitieren wir hier aus der Presseinformation des BUND RV Neckar-Alb vom 7. Februar 2025:

 

"[...] Grundsätzlich müssen die Naturschutzverbände mit Mitgliedsbeiträgen und Spenden sorgsam umgehen, deshalb wird vorab geprüft, ob eine Klage Aussicht auf Erfolg hat. Bereits bei dieser rechtlichen und naturschutzfachlichen Prüfung fallen Kosten an. Der BUND-Landesvorstand hat – vorbehaltlich der oben genannten Erfolgsaussichten – bereits einer Klage zugestimmt. Der NABU-Landesvorstand tagt am 14.2. und wird dann über das juristische Vorgehen beschließen. [...]"


Wenn schon, dann aber nicht in der schlimmsten Variante!

Erörterungstermine in der Burghof-Halle Ofterdingen. - Foto: T. Ayoub
Erörterungstermine in der Burghof-Halle Ofterdingen. - Foto: T. Ayoub

Am 8. und 9. Oktober 2024 fanden in der Ofterdinger Burghof-Halle die Erörterungstermine zum Planfeststellungsverfahren statt. Auch der NABU war mit Ehrenamtlichen, Hauptamt und weiteren Verbündeten aus anderen Verbänden und Engagierten präsent. Wir haben uns überall dort eingebracht, wo der Vorhabenträger (Referat 44, RP Tübingen) teilweise intransparent blieb und unsere Fragen, Bedenken und Anliegen dem Regierungspräsidium und der Planfeststellungsbehörde vorgetragen. Auch einige interessierte Bürgerinnen und Bürger aus der Region wohnten den ausdauernden Terminen bei und äußerten sich.

Dabei hielt das RP weiter an der naturschädlichsten Trassenvariante "1g - Endelbergtrasse" fest, welche sich mit 14 Brückenwerken durch die unberührte Steinlachtal-Landschaft schlängeln soll. Anmerkung: Während der Erörterungstermine war es nicht gestattet Bild- oder Tonaufnahmen zu machen. Das hier gezeigte Foto entstand vor dem offiziellen Beginn der Veranstaltung.

 


Worum geht es und warum ist unsere Beteiligung so wichtig?

 

Der Ausbau der Bundesstraße zwischen Bodelshausen und Nehren soll für eine Entlastung des Verkehrs sorgen. Ob dieser an der Stelle notwendig ist, kann man diskutieren. Was allerdings völlig klar ist: Leider hält die Behörde bis heute an der Ausbau-Variante ("Endelbergtrasse, Variante 1g") fest, die mit Abstand am landschaftszerstörendsten und klimabelastendsten ist. Deshalb sind Verbände, Bürgerschaft und Engagierte aufgefordert zu reagieren.

 

Planfestellungunterlagen sind einsehbar auf den Seiten des Regierungspräsidiums Tübingen

Die BUND-Regionalstelle Neckar-Alb informiert

Das Bündnis Nachhaltige Mobilität Steinlachtal hat Fakten zusammengetragen

 

Die geplante Trasse soll mitten durch die Landschaft im Steinlachtal verlaufen. - Foto: H. Werner
Die geplante Trasse soll mitten durch die Landschaft im Steinlachtal verlaufen. - Foto: H. Werner

Stellungnahmen der Naturverbände

NABU, BUND und LNV haben sich zu den neuen Planungsunterlagen geäußert und fristgerecht ihre Stellungnahmen zum 11. Juli 2024 beim Regierungspräsidium Tübingen eingereicht.

 

Seitens des NABU haben sich der Landesverband Baden-Württemberg, die Bezirksgeschäftsstelle Neckar-Alb, sowie die vier NABU-Gruppen Nehren, Ofterdingen-Bodelshausen, Mössingen und Dußlingen geäußert.

 

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Stellungnahme NABU-Bezirksgeschäftsstelle Neckar-Alb 2024
20240712_Stellungnahme_NABU-BZGS-Neckar-
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Stellungnahme NABU-Landesverband BaWü 2024
20240712233939_Stlgn. NABU-Landesverband
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Stellungnahme BUND-Regionalstelle Neckar-Alb und LNV 2024
20240712_Stellungnahme_BUND und LNV_B27.
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Stellungnahme NABU-Gruppen im Steinlachtal 2024
20240712_Stellungnahme_NABU-Gruppen_B27.
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Fotos: A. Korfmann, H. Werner


David gegen Goliath - Es geht um unsere Natur!

Was uns da droht verloren zu gehen, ist mehr als "nur ein bisschen" Natur

Im Folgenden Text fasst Afra Korfmann, Mitglied der Nabu-OG Nehren, der Bürgerinitiative Bündnis Nachhaltige Mobilität e.V., des Landesjagdverbands und des Verbands deutscher Falkner, die Ereignisse und unser wichtiges Handeln zusammen:

 

Seit über 45 Jahren kämpfen Instanzen, Parteien, Verbände, Vereine, Bürgerinitiativen, Landwirte und Privatpersonen gegen den Ausbau der B27/ Endelbergtrasse. Der Grund für diese lange Zeit ist die nicht minder lange Planungsdauer. Und nicht zuletzt spielt auch das Wanken und Wackeln der Gemeinden und Behörden eine Rolle.

Was jetzt übrig blieb, ist auch laut der diversen Gutachten, die das Regierungspräsidium in Sachen Umwelt-, Natur- und Artenschutz im 21. Jahrhundert hat anfertigen lassen und mit in die Planfeststellungsunterlagen gab, die „schlechteste Lösung“: die Ortsumfahrung Ofterdingens durch die sogenannte „Endelbergtrasse“.  Nachdem die als Kompromiss erwogene „Kriegerdenkmalstrasse“ mit vergleichsweise wenig Umweltauswirkung nun längst verbaut ist, wird ein halbes Jahrhundert nach dem Start des Linienfeststellungsverfahrens deutlich, warum Regierungspräsident Dr. Max Gögler am 9. Mai 1994 sagte: „Bei anderen Alternativen dürfen wir laut höchstrichterlichem Urteil die Trasse mit dem höchsten Landverbrauch nicht bauen.“ Sie soll wider besseres Wissen und jede Lehre aus der Vergangenheit nun nach dem Willen des heutigen Regierungspräsidenten, Klaus Tappeser, gebaut werden.

 

Inklusive Auf- und Abfahrten sind das 17 Kilometer mehr Straße für eine Zeitersparnis von ca. 3 Sekunden auf der Strecke auf über 100 ha bewegter und versiegelter Fläche über einen Bauzeitraum von acht bis zehn Jahren.  Dies nun in eine Landschaft, die von allen Seiten her immer weiter und enger zugebaut wurde. Ja, hätte man 1975 die jetzt in die Planung kommende Trasse gebaut, hätte sich womöglich vieles anders entwickelt und vielleicht wäre im Endeffekt sogar deutlich weniger Fläche versiegelt worden. Aber immer wieder entschied sich eine der beteiligten Parteien gegen den aktuellen Vorschlag – und nun ist eben nicht nur metaphorisch alles verbaut.

Aber von Anfang an: Eine verkürzte Chronik des wortwörtlich langen Wegs

1975 beginnt das Linienfeststellungsverfahren – Umweltbewusstsein war wenig vorhanden, das Land im Gefühl des Aufschwungs, Plastik war Hauptwerkstoff und der Wunsch, schnell und automobilisiert zu reisen, groß.

1981 spricht sich das RP bereits gegen die „Endelbergtrasse“ aus. Es gilt seitens der CDU-Landesregierung: „Ausbau vor Neubau“! Im Landschaftsplan liest man: „Aus der Landschaftsplanung ist der Nachteil des enormen Landschaftsverbrauchs und die Durchschneidung großer bisher intakter Landschaften viel gravierender als die Nachteile die mit dem Ausbau der alten B27 verbunden sind.“ (Quelle:  Landschaftsplan Mössingen-Ofterdingen-Bodelshausen, Zitiert in Dokumentation der Ofterdinger SPD, originale Rechtschreibung beibehalten)

1985 wird die Endelbergtrasse im Landschaftsplan der Verwaltungsgemeinschaft Oberes Steinlachtal abgelehnt und die Forderung nach Alternativen laut.

1990 die Bürgermeister der Umgebungsgemeinden sind gegen die Endelbergtrasse, das RP lehnt aber den Wunsch der Gemeinde Ofterdingen nach Untertunnelung aus bloßen Kostengründen ab.

1991 offeriert das RP eine Alternative, die Kriegerdenkmalstrasse – Ofterdingen wird diese Trassenführung sechs Jahre später aber trotz des hohen Leidensdrucks innerorts mit dem Gebiet „Stetten II“ gewerblich verbauen.

1994 spricht sich die Stadt Mössingen gegen die Trasse aus, da diese das geplante Wohngebiet Dachtel tangiert. Dieses wurde Ende der 2010er Jahre dann doch noch zügig eingeplant und festgelegt, bevor ein Planfeststellungsbeschluss (PFB) für die Trasse vorlag. Somit unterliegt die Planung des  - vor dem PFB ausgewiesenen Wohngebiets - damals geltenden, weniger scharfen Lärmschutzvorgaben. Um also das Wohngebiet unter der alten Lärmschutzrichtlinie planen zu können, musste die Ausweisung schnell erfolgen. Kurz gesagt: Bevor die laute Straße kommt und sich dann alle beschweren, konnte die Gemeinde auf ihre Einhaltung der Lärmschutzvorgaben verweisen, die ja unter der damals geltenden Lärmschutzrichtlinie erfüllt wurden.  Da heute geltende Lärmschutzrichtlinien schärfer sind, hätte dies die Ausweisung des Wohngebiets gefährdet, falls die Trasse vor dem Wohngebiet gekommen wäre. Da dies nun aber nicht der Fall ist, hat die Stadt Mössingen hier diesbezüglich keine rechtlichen oder baulichen Nachteile mehr. Vielleicht auch deshalb hat die Stadt in einer erneuten Abfrage 2019 kein Widerspruchsinteresse gegen die Trasse mehr geäußert.  

 

Kuhhandel und Geschachere

So geht es nun von einem Kuhhandel zum nächsten und die Planungsgeschichte mit all ihren wechselnden Positionen der Protagonisten und dem Geschachere um die jeweiles für die entsprechenden Beteiligten günstigste Lösung zieht sich ähnlich ambivalent durch das neue Jahrtausend. Wer Interesse an der gesamten Chronologie hat, findet sie auf der Webseite des Bündnis Nachhaltige Mobilität Steinlachtal e.V. Sich innerhalb dieses Artikels weiter damit zu befassen, sprengt den Rahmen.

 

Diese Chronologie zeigt aber vor allem zweierlei: immer schon war man sich, allerdings immer an wechselnden Stellen und unter wechselnde Zuständigkeiten in der Vergangenheit bewusst, dass die Endelbergtrasse keine gute Lösung ist und immer schon gab es auf unterschiedlichen Ebenen Widerstand. Spannend dabei ist, dass niemals ernsthafte Abhilfe direkt an der Ortsdurchfahrt Ofterdingens für die geplagten Anwohner geschaffen wurde, sondern die einzige betrachtete Maßnahme zur Reduktion der Last der Ofterdinger Bürgerschaft immer eine massive Ausbaumaßnahme war.

 

Die Geschichte macht deswegen deutlich: Das Projekt war niemals einstimmig gewollt, es gab immer wieder punktuell und angepasst an die über die Zeit veränderte Interessenslage geäußerte Kritik durch RP, einzelne Gemeinden oder Bürgerinitiativen.

 

Und nicht zuletzt wurden Alternativenprüfungen ernsthaften Ausmaßes, je nach Ausgangslage der im entsprechenden Jahrzehnt befürwortenden Protagonisten, fortlaufend unterbunden. Hier setzt nun der Widerspruch des NABU an:

 

 

Auf wessen Kosten nun?

Dass der B27-Ausbau nun in der schlechtesten Maßnahme für Klima, Arten und Natur umgesetzt werden soll, ist vor allem aus der Sicht des Natur- und Landschaftsschutzes nicht nachvollziehbar. Insbesondere, weil Alternativenprüfungen nicht ausreichend stattfanden und angeführte Alternativen aus rein finanziellen Gründen abgelehnt wurden, kritisiert der Landesverband die zahlreichen Verstöße gegen Gesetze und moniert vor allem die Unangemessenheit des Megabauwerks im Verhältnis zu seiner Zerstörung eines noch weitgehend intakten kleinen Fleckchens Erde. 

 

Das Engagement der Nabu-Ortsgruppen gegen die Eingriffe ist deswegen entsprechend groß.

Gemeinsam mit zwei Bürgerinitiativen, dem BUND und dem LNV setzt sich vor allem die OG Nehren im Schulterschluss mit der OG Ofterdingen/Bodelshausen und Mössingen für den Erhalt des Lebensraums vieler Arten ein, die hier – laut Umweltverträglichkeitsprüfung und Konfliktstellenerhebung mannigfach betroffen sind. Mut macht, dass uns auch Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe als Privatperson unterstützt. Diese Allianz zeigt den Rückhalt auf breiter Front für die betroffenen Tier- und Pflanzenarten.

 

 

 

Da ist an erster Stelle die flugunfähige Wanstschrecke zu nennen, deren Biotope ohnehin überschaubar sind und deren Lebensraum zerstört würde. Gleiches gilt für Feldhase, Feldlerche, die unter strengstem Schutz stehende Gelbbauchunke und Steinkrebs. Verbotstatbestände würden an Haselmaus und Zauneidechse verübt.

 

 

 

 

Diverse Fledermausarten, darunter das Große Mausohr, schneiden die bisherige Bundesstraße im jagdlichen Überflug und jagen die ohnehin im Rückgang begriffenen Insekten am Bachlauf. Grundsätzlich wären also nahezu alle im Albvorland zu schützenden Arten von diesem Ausbau betroffen. Ein Ausbau nach jetziger Vorgabe schnitte ausgewiesene FFH-Gebiete oder tangierte diese über die großflächigen Erdbewegungen enorm.

 

 

EU-Vogelschutzrichtlinie missachtet

Nicht zuletzt finden Greife wie der Rotmilan und der Schwarzmilan, der Baumfalke und unzählige Singvögel auf dem Gebiet der geplanten Trasse Heimat, Brutraum und Durchzugsstätte. Dieser Fleck Land, Schnittstelle einer kultivierten Offenlandschaft mit Streuobstwiesen, angrenzenden Auwaldabschnitten und Gehölzen, ist einer der wenigen in Deutschland, an dem der Rotmilan gehäuft vorkommt und optimale Lebensbedingungen vorfindet. Auch aufgrund der betroffenen Vogelarten und der Eingriffe in ihren Lebensraum gilt zu prüfen, inwieweit das Bauvorhaben gegen die EU-Vogelschutzrichtlinie verstößt.

 

Auch Folgen für die Menschen

Langfristige Folgen des Projektes wären bei genauer Betrachtung der enorme Verlust von Retentionsflächen, dadurch generiert eine steigende Hochwassergefahr im Ofterdinger Siedlungsgebiet, das Verschwinden einer Kaltluftentstehungszone sowie das in der Umweltverträglichkeitsprüfung bereits vorangekündigte Erlöschen von Artenvorkommen geschützter Arten und Natura-200 Gebiete.

 

Und bei allen Folgen, die uns als NABU ganz originär durch den Naturschutz zum Einspruch bewegen, sind die Folgen für Anwohner durch (durch das RP Tübingen dokumentierte) zu erwartende Lärmbelastungsgrenzüberschreitungen in den im Vorfeld ausgewiesenen künftigen Wohngebieten sowie bestehende Siedlungen noch nicht bedacht. Kurzum: Bei genauer Betrachtung aller Dokumente zum Megaprojekt sind die negativen Folgen dieser autobahnähnlichen Strecke unübersehbar.

 

Nur ein einziger Streckenverlauf, nämlich eine an der Nulllinie orientierte Untertunnelung, würde Verbotstatbestände bei guter Planung nahezu ausschließen. Diese aber wurde vor 35 Jahren aus Kostengründen verworfen.

 

Es steht im Jahr 2025 deswegen die Frage im Raum, was in diesem Jahrtausend die eigentlichen Werte sind: Geld oder Fläche, Geschwindigkeit oder Biodiversität, Karosse oder Klima, Asphalt oder Artenschutz.

 

 

(Autorschaft: Afra Korfmann, Mitglied der Nabu-OG Nehren, der Bürgerinitiative Bündnis Nachhaltige Mobilität e.V., des Landesjagdverbands und des Verbands deutscher Falkner)