Naturnahe Wiesen stecken voller Leben, doch zu frühes und zu häufiges Mähen macht vielen Insekten und anderen Tieren das Leben schwer. Tierfreundliche Wiesenpflege in Kommunen, Privatgärten und in der Landwirtschaft leistet einen wichtigen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt.
Generell führt eine erhöhte Vielfalt an Pflanzen zu einer Erhöhung der Insektenvielfalt. Das konnten Studien der Uni Tübingen zeigen. Den Blühaspekt einer Fläche zu fördern, ist jedoch nicht automatisch eine insektenorientierte Pflege...
Wiesen müssen gemäht werden, um sie als Lebensraum für eine artenreiche Pflanzen- und Tierwelt zu erhalten.
Wird eine artenreiche Blumenwiese nie gemäht, übernehmen bald Gräser und andere schnell wachsende Pflanzen die Oberhand. Sie nehmen viel Platz ein - andere Arten haben das Nachsehen. Ihr dichtes Wachstum verhindert, dass Licht auf den Boden gelangt. Erst durch das Mähen bekommen auch einjährige und langsam wachsende Pflanzen ihre Chance auf lebensnotwendiges Sonnenlicht und Platz zum Gedeihen. Zudem wachsen Pflanzen nach dem Mähen oft kräftiger nach und bringen schneller wieder neue Blüten hervor. Bleibt eine Wiese über längere Zeit unberührt, wird sie durch natürliche Sukzession zu Buschland und schließlich zu Wald.
Während die Mahd für den Erhalt artenreicher Blumenwiesen also unverzichtbar ist, bedeutet sie auf der anderen Seite für die dort lebenden Tiere aber auch eine plötzliche und drastische Veränderung ihres Lebensraums: Sie verlieren Deckung und den Schutz vor Witterungseinflüssen. Die abgemähten Blütenpflanzen fehlen Insekten und anderen Tieren als Nahrungsquelle. Zwar wachsen nach dem Mähen meist nochmals Blumen nach - bis es soweit ist, finden Bienen, Schmetterlinge und andere Insekten jedoch keinen Nektar mehr.
Größte Gefahr kommt noch durch die Mähgeräte selbst hinzu. Unzählige Tiere - von Insekten über Amphibien und Reptilien bis hin zu Säugetieren wie z. B. Feldhasen und Rehkitzen - werden jedes Jahr durch Mähgeräte getötet oder verstümmelt.
Zum Beispiel ist ein Kreiselmäher eine Todesfalle (Sog- und Schleuderwirkung etc.)!
Wer eine artenreiche, kräftige und farbenfrohe Blumenwiese möchte, sollte diese nicht zu oft mähen. Ein- bis zweimal im Jahr oder sogar nur alle zwei Jahre reicht schon.
Und vor allem sollte man nicht zu früh im Jahr, mähen, sondern je nach Witterungsverhältnissen und Zustand der Wiese erst Ende Juni bis Juli, wenn die meisten Wildblumen geblüht und ausgesamt haben. Nur so können auch im nächsten Jahr Wiesenblumen keimen. Wird zu früh gemäht, wird dieser Vermehrungsprozess unterbrochen.
Streuwiesen bzw. artenreiche Blühwiesen sollten erst spät im Herbst gemäht werden, um spät blühenden Pflanzen und davon abhängigen Tierarten genügend Zeit für ihre Entwicklung zu geben.
Aber: Einen "perfekten" Zeitpunkt für die Mahd, der allen Tiergruppen gerecht wird, gibt es leider nicht. Hier ist vorab eine Entscheidung zu treffen, welche Tierarten man in erster Linie schützen will - abhängig davon, ob und in welcher Quantität sie auf der Wiese vorhanden sind.
Der Mähzeitpunkt sollte also an die zu schützende Tiergruppe angepasst werden. Bei Bodenbrütern und in Bodennähe brütenden Vögeln wie z. B. der Feldlerche und der Goldammer sollte nach dem Abschluss der Brut, also ab Anfang August gemäht werden. Will man Bienen und Hummeln schützen, sollte bei bedecktem Himmel und kühleren Temperaturen, zum Schutz von Schmetterlingen hingegen bei höheren Temperaturen gemäht werden.
Mähen ist immer ein starker Eingriff in den Lebensraum Wiese. Von einem Tag auf den anderen verlieren Insekten und andere Wiesenbewohner ihre Lebensgrundlage.
Die Lösung dieses Problems: Gestaffelt mähen, also Teilbereiche stehen lassen und zu unterschiedlichen Zeiten mähen! Am besten mäht man zuerst die grasreichen Teile, so dass dort neue Blütenpflanzen nachwachsen können. Erst später im Jahr sind dann die blütenreichen Flächen dran. So finden Insekten das ganze Jahr über Nahrung und Unterschlupf. Lässt man das Mähgut noch ein paar Tage liegen, können die Pflanzen versamen.
Damit alle, die flüchten können, eine Ausweichfläche haben, bitte nie die Fläche von außen nach innen mähen, denn sonst treibt man die Tiere immer weiter zusammen.
Beim Mähen sollte die Schnitthöhe nicht geringer sein als 8–10 cm. So bleibt der Boden vor Austrocknung geschützt und Kleintiere kommen nicht unters Messer. Das Mikroklima der Wiese bleibt so erhalten.
Klar, hier und da dürfen auch Störstellen und Rohbodenstellen sein. Eine lebendige Wiese lebt ja auch von der Verschiedenheit. Wo viele verschiedene Lebensräume angeboten werden, können sich viele verschiedene Organismen einrichten. Deshalb hat eine artenfördernde Wiese gerne mehrere „Stockwerke“.
Im Idealfall lässt man Teilbereiche der Wiese auch über den Winter stehen: Viele Insektenarten überwintern in verdorrten Pflanzenstängeln, manche legen auch ihre Eier hinein oder bringen ihre Kokons an. Dabei werden alle Pflanzenteile - vom Horst bis zum verblühten Blütenstand - von verschiedenen Insektenarten und -Stadien genutzt. Auch das konnten Studien an der Uni Tübingen zeigen.
Zur Orientierung gibt es seit einigen Jahren den „No Mow May“ – einen Aufruf, der daran erinnert, dass man (vor/im) Mai nicht mähen sondern abwarten sollte, bis im Frühjahr die Eier schlüpfen und die Insektenwelt aus der Überwinterung erwacht (nicht vor April).
Auch bei der Wahl des Mähwerkzeugs sollte man sich Gedanken machen. Der Balkenmäher – oder die Handsense – sind das Mittel der Wahl. Hauptsache etwas, das horizontal, aber nicht zu tief schneidet und keine Sogwirkung hat.
Problematisch sind Rasen- oder Fadenmäher. Der Rasenmäher zerhackt mit seinem rotierenden Mähwerk Raupen und Heuschrecken, die sich im Gras aufhalten und verhindert, dass die Pflanzen zum Versamen liegen bleiben. Auch dem Fadenmäher fallen viele Insekten zum Opfer, und für größere Tiere wie Kröten, Blindschleichen oder gar Igel sind sie ebenfalls eine tödliche Gefahr. Zudem besteht der Faden aus Plastik und er nutzt sich ab. Das Plastik landet als Mikroplastik im Boden.
Wer besonders tierfreundlich mähen will, greift also am besten zur Sense. Es braucht zwar etwas Übung, aber durch den sauberen Schnitt mit der scharfen Klinge überlebt ein Grossteil der Insekten. Zudem braucht sie weder Strom noch Treibstoff, macht keinen Lärm und das Fitnessprogramm ist ebenfalls inbegriffen.
Für größere Flächen eignet sich am besten der Balkenmäher. Auch er schneidet die Wiese sauber am Grund. Das Schnittgut bleibt ein paar Tage liegen, bis es trocknet und die Blumen ihre Samen verlieren. Während dieser Zeit bleibt den Insekten genügend Zeit, um einen neuen Ort aufzusuchen.
Der NABU erklärt in fünf Schritten, wie man eine Wildblumenwiese anlegt und schonend mäht - auch im eigenen Garten.